Neues Küchentagebuch gegen Lebensmittelverschwendung
Lebensmittelverschwendung entsteht oft unauffällig im eigenen Haushalt. Die Mengen werden selten erfasst und häufig unterschätzt. Wie viel werfen wir wirklich weg und warum? Genau dies kann die neue Funktion der „Zu gut für die Tonne!“-App beantworten: das Küchentagebuch. Mit dieser digitalen Lösung können Nutzer*innen ihre Lebensmittelabfälle erfassen, die Gründe für das Wegwerfen dokumentieren und erhalten individuelle Tipps zur Resteverwertung. Und das wirkt!
Wir haben mit Andrea Lenkert-Hörrmann von Slow Food Deutschland und Nina Langen vom Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft der TU Berlin gesprochen, die im Rahmen des „Dialogforum private Haushalte 2.0“ das digitale Küchentagebuch entwickelt haben.
Wie entstand die Idee zur Integration des Küchentagebuchs in die „Zu gut für die Tonne!“-App?
Die im Küchentagebuch verwendeten Tools wurden in einem dreijährigen Projekt „Dialogforum private Haushalte“ (2019-2023) im Rahmen der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung entwickelt und anhand umfangreicher Daten getestet. Die damals befragten Nutzer*innen wünschten sich für eine größere Nutzer*innenfreundlichkeit, die Messtools als App-Funktion verwenden zu können. Das war der Ausgangspunkt, die Tools weiter zu entwickeln. Im derzeit laufenden Folgeprojekt „Dialogforum private Haushalte 2.0“ (2023-2026) liegt deshalb ein Schwerpunkt auf der Integration des Küchentagebuchs in eine bereits am Markt befindliche App zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung – die „Zu gut für die Tonne!“-App. Wir sind glücklich, die Programmierung und Integration der Tools zur Grünen Woche 2025 erfolgreich abgeschlossen zu haben und freuen uns nun auf viele Nutzer*innen.
Wie funktioniert das neue Tool? Was müssen Nutzer*innen machen?
Wer das Küchentagebuch nutzen möchte, muss sich nur die kostenlose Zu gut für die Tonne!-App herunterladen bzw. die bereits installierte App aktualisieren.
Hier geht es direkt um Download bei Google Play und im App Store und zur Browser-Variante. Hinweise, mit welchen Endgeräten die App kompatibel ist, finden Sie hier.
Und so funktioniert das digitale Küchentagebuch
- Einfach starten: In der Zu gut für die Tonne!-App unter „Tagebuch“ anmelden.
- Einführung mitmachen: Anonym einige wenige Daten wie Haushaltsgröße und Reduzierungsziel eingeben und mehr zu den Funktionen erfahren.
- Einträge erfassen: Menge, Art und Gründe der Lebensmittelabfälle erfassen. Das dauert circa 20 Sekunden pro Lebensmittel.
- Statistik & Tipps: Auswertungen anzeigen lassen und Tipps sowie Rezepte für die Reduzierung erhalten.
- Belohnungen sammeln: Durch regelmäßiges Eintragen und das Erreichen der Ziele Erfolge sammeln und sichtbar machen.
- An Mitmach-Aktionen teilnehmen: Durch Teilnahme an Mitmach-Aktionen, die zu unterschiedlichen Zeiten angeboten werden, eigene Lebensmittelabfälle noch weiter reduzieren und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung leisten.
Weitere Infos finden Sie unter FAQ.
Welche Herausforderungen gab es bei der Entwicklung dieser neuen Funktion?
Neue App-Funktionen in eine bestehende Ministeriums-App zu integrieren stellt hohe Anforderungen an Datenschutz, Barrierefreiheit und Nutzer*innenfreundlichkeit. Alle Nutzer*innendaten sind anonymisiert und zu 100 % geschützt. Um trotzdem individualisiertes Feedback geben zu können, läuft im Hintergrund ein aufwendiges Verschlüsselungsverfahren, das eingegebene Daten einem*r Nutzer*in zuordnen kann, aber keinerlei Rückschlüsse auf eine konkrete Person oder einen konkreten Haushalt zulässt. Unser Projekt-Team hat in vielen Vorab-Runden mit unterschiedlichsten Teilnehmendengruppen die Bedienungsfreundlichkeit getestet, wertvolle Impulse aufgenommen und diese umgesetzt. Eine Herausforderung war es, die Auswahl der zu erfragenden Daten vorzunehmen. Denn diese sollen dem Anspruch genügen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen und andererseits soll die App so schlank wie möglich gestaltet sein, damit sie einfach und unaufwändig nutzbar ist.
Wie schafft man eine App-Funktion, die leicht verständlich, motivierend und einfach zu nutzen ist?
Rudi Radieschen ist das Maskottchen des Küchentagebuchs und gibt charmant und leicht verständlich eine Einführung in die App. Um das Messen zu erleichtern, ist die Eingabe auch ohne Waage in Messgrößen wie Teelöffel, Esslöffel oder Tasse möglich ist. In-App-Nachrichten erinnern ans Messen. Gamification-Elemente machen das Messen spannend: so kann sich jede*r selbst Reduzierungsziele setzen und anhand von Statistiken die Erreichung des Ziels verfolgen. Auswertungen geben Hinweise auf die Art der Lebensmittelabfälle und Wegwerfgründe. Auf Basis der persönlichen Messungen liefert das Küchentagebuch passgenaue Tipps und Rezepte, die bei der Reduzierung der Lebensmittelabfälle unterstützen. Wer beim Messen dabei bleibt, wird mit Erfolgen (Badges) belohnt.
Welche Erkenntnisse können durch die Datenerfassung gewonnen werden – sowohl für Nutzer*innen, als auch für die Forschung?
Aus dem bereits erwähnten Vorgängerprojekt haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass das Messen allein schon Lebensmittelabfälle reduziert. Wer zusätzlich noch an Mitmach-Aktionen teilnimmt, wird seine persönliche „Food Waste-Menge“ noch weiter reduzieren – auch dafür haben wir belastbare Daten. Das digitale Küchentagebuch erleichtert uns, nun genauer zu betrachten, welche Aktionen und Maßnahmen für welche Zielgruppe in privaten Haushalten ein hohes Reduktionspotential haben. Das hilft all jenen, die sich gegen die Verschwendung von Lebensmitteln engagieren, ihre Aktionen zielgerichtet planen zu können. Außerdem wollen wir Akteur*innen entlang der Wertschöpfungskette einbinden, um zu erforschen, was z. B. bei Erzeugung, Weiterverarbeitung, Handel, etc. dazu beitragen könnte, die Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten zu reduzieren.
Was macht das Küchentagebuch besonders – und wie hebt es sich von anderen Lösungen hervor?
Ein Alleinstellungsmerkmal des Küchentagebuchs ist das zugrundeliegende wissenschaftliche Modell der Wirksamkeitsmessung. Dies kann belastbare Aussagen zur Wirksamkeit von Aktionen zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen in den privaten Haushalten liefern. Nutzer*innen unterstützen durch ihr Messen, inkl. der Eintragung in die App und insbesondere die Teilnahme an Mitmach-Aktionen wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung. Dies erhöht das Wissen rund um wirkungsvolle Maßnahmen zur Reduzierung von Food Waste für die gesamte Gesellschaft.
Die Möglichkeit für externe Akteur*innen, Mitmach-Aktionen in der App anzubieten, macht das Küchentagebuch zu einem vielseitig nutzbaren Instrument:
- für jede*n einzelne*n Nutzer*in zur Reduzierung der eigenen Lebensmittelabfälle
- für Akteur*innen im Lebensmittelbereich zur Planung von Aktionen und Maßnahmen gegen Food Waste
- für die Forschung zur Gewinnung von Erkenntnissen zu Reduktionspotentialen von Food Waste in privaten Haushalten entlang der Wertschöpfungskette
- für politisch Verantwortliche zum wirksamkeitseffizienten Einsatz von Förder- und Aktionsmitteln in Zeiten begrenzter Ressourcen.
Was kommt als Nächstes? Welche zukünftigen Entwicklungen oder Erweiterungen sind für die App geplant?
Wir sind im Austausch mit Partner*innen entlang der Lebensmittelversorgungskette, um gemeinsam Aktionen zu entwickeln, die das Potential haben, Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten zu reduzieren. Es dürfen alle schon auf die daraus entstehenden Mitmach-Aktionen im Küchentagebuch gespannt sein. Bitte immer mal wieder nachschauen. Und so viel sei verraten: es gibt dabei auch Dankeschöns fürs fleißige Messen und Mitmachen. Seien es Dankeschön-Pakete, kleine Belohnungen oder die Teilnahme an Gewinnauslosungen.
Liebe Frau Lenkert-Hörrman, liebe Frau Langen, vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Ihnen viele Teilnehmende und freuen uns auf die daraus entstehenden neuen Erkenntnisse.